Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz
Seelische Belastungen nehmen in der Arbeitswelt zu. "Ist mentale Gesundheit Chefsache?", fragt die mkk – meine krankenkasse zur Woche der seelischen Gesundheit.
Die Zahl der psychisch belasteten Menschen in Deutschland steigt. Etwa jeder Dritte gibt an, derzeit ein psychisches Problem zu haben, so eine neue Axa-Studie (1). Längst sind Depression, Angststörung und Burnout in den Betrieben angekommen. Doch nach wie vor legen viele Arbeitgebende nicht genügend Wert auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden.
Warum Unternehmen den Fokus auf dieses Thema legen müssen, beleuchtete gestern Abend die Panel-Diskussion der mkk – meine krankenkasse in Berlin. Anders als ein gebrochener Arm ist eine psychische Erkrankung nicht greifbar. Ein Burnout etwa kündigt sich häufig mit Zeichen der Überlastung an. Doch diese werden in den Firmen oft nicht wahrgenommen. Wenn sie dann erkranken, fallen Mitarbeitende in der Regel lange aus. Das Gehalt müssen Firmen dann zumindest für sechs Wochen weiterzahlen. "Der finanzielle Aspekt ist das Eine", sagt Andrea Galle, Vorständin der mkk – meine krankenkasse. "Wesentlich schlimmer ist oft der Verlust des Know-hows." Fallen Mitarbeitende Wochen oder Monate aus, "geht auch wichtiges Wissen verloren", so Galle.
Die Arbeitsunfähigkeitstage haben sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Heute sind Arbeitnehmende durchschnittlich 34 Tage mit einer psychischen Diagnose krankgeschrieben (2).
In den Betrieben habe sich eine "stille Stresswelle aufgebaut", beobachtet Dr. Amalie Wiedemann vom Beratungsunternehmen Dear Employee. Die emotionale Belastung nehme in einer sich stets wandelnden Arbeitswelt zu. In mehr als 60 Prozent der Firmen sei der Zeitdruck zu hoch, führt die Gesundheits- und Arbeitspsychologin aus. Zu den Top Five Stressoren zählten hohe Arbeitsintensität, unangemessenes Verhalten Dritter, eine belastende emotionale Arbeit sowie mangelnde Planbarkeit und körperliche Anforderungen.
Damit Mitarbeitende nicht am mentalen Limit laufen, rückt die mkk – meine krankenkasse das Thema im Betrieblichen Gesundheitsmanagement weiter in den Vordergrund. Kurse zur Stressbewältigung und Ressourcenstärkung werden von immer mehr Firmen gebucht. "Arbeitgebende müssen nicht immer das große Rundum-Sorglos-Paket für ihre Teams buchen. Schon kleine Maßnahmen können die mentale Gesundheit fördern", sagt Andrea Galle. Ihren Mitarbeitenden bietet die mkk – meine krankenkasse unter anderem Mental Health Coachings beim Fürstenberg Institut an.
Mehr Awareness für Mental Health im Betrieb ist enorm wichtig, darüber waren sich die Teilnehmenden der gestrigen Panel-Diskussion der mkk – meine krankenkasse einig. Aber nicht nur die mentale Gesundheit von Arbeitnehmenden gilt es zu fördern. Mentale Probleme haben einen langen Vorlauf, berichtet Maria Herrmann von der Krisenberatung für Jugendliche, Krisenchat. Drei von vier psychischen Krankheiten entstehen vor dem 25. Lebensjahr.
In Schulen und an Universitäten gebe es kein ausreichendes Angebot an präventiven Maßnahmen, so Herrmann. Gerade einmal jeder zehnte Jugendliche habe die Chance auf eine Therapie. Die Folgekosten im Arbeitsleben seien enorm. Herrmann verweist darauf, dass allein 42 Prozent der Fälle eine Frührente einer psychischen Krankheit geschuldet seien.
Auf dem Podium war auch Markus Laurenz vom Marktplatz der Gesundheit. Der Anbieter von betrieblichen Gesundheitsmassnahmen hat festgestellt, dass junge Leute sehr viel mehr Wert auf die Atmosphäre in einem Unternehmen legen als noch vor einigen Jahren. "Wenn es um die Arbeitszufriedenheit geht, ist jungen Leute die Atmosphäre im Betrieb wichtig. Sie schlägt das Angebot der Vier-Tage-Woche", sagt er.
An Arbeitgebende gerichtet hat Dr. Christina Jochim von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung diesen Rat. "Es gibt keinen Röntgenblick für psychische Erkrankungen. Das Schaffen einer Kultur der psychologischen Sicherheit ermöglicht aber die Kommunikation darüber."
Das Resümee der gestrigen Runde bei der mkk – meine krankenkasse: Mentale Erkrankungen werden zu spät erkannt. Das Hilfsangebot in Deutschland muss erweitert werden. Immerhin lässt jeder zweite Betroffene seine psychische Erkrankung entweder nicht behandeln oder versucht sich an einer Selbsttherapie. (1)
Quellen