Aromatherapie
Ob Lavendel, Orange oder Zedern: Welche heilenden Wirkung ätherische Öle entfalten können, wird an der Ruhr-Universität Bochum erforscht.
Interview mit Prof. Dr. Hanns Hatt über die Wirkung von Duftölen auf kranke Menschen.
Prof. Dr. med. Hanns Hatt ist führender Forscher im Bereich der Duftwahrnehmung. 2004 gelang es seinem Team an der Ruhr-Universität Bochum, Duftrezeptoren außerhalb der Nase zu identifizieren und sie mit dem entsprechenden Duftmolekül zu stimulieren.
Prof. Dr. Hatt, was verbirgt sich hinter dem Begriff "Aromatherapie"? Das ist ein sehr altes Konzept, das auf zwei Ansätzen basiert: Der erste zielt auf die rund 350 Riechzellen der menschlichen Nase ab, die eine direkte Verbindung zum Gedächtnis- und zum Emotionszentrum im Gehirn haben. Wer einen Duft riecht, während er glücklich ist, verknüpft den Geruch mit Glücksgefühlen. Sobald der Duft wieder in die Nase steigt, erzeugt der Körper ein Glücksgefühl. Zum anderen zeigen Forschungsergebnisse, dass sich im gesamten Körper Riechrezeptoren befinden, die man mit bestimmten Duftmolekülen ansteuern kann: auf der Haut, im Darm oder im Herzen. Wenn man weiß, wo sich Rezeptoren befinden und welcher Stoff sie stimuliert, kann man beispielsweise das Zellwachstum oder die Verdauung fördern.
Man riecht also mit dem ganzen Körper? Nicht ganz. Die Rezeptoren auf den Organen müssen direkt in Kontakt mit dem jeweiligen Duftstoff kommen, um eine Wirkung zu erzielen. Wenn ich also die Verdauung fördern will, dann reicht es nicht, an einem Duftstoff wie Minze zu riechen. Ich muss sie essen, damit die Rezeptoren direkt damit in Berührung kommen.
Wie kann man die Verbindung der Riechzellen zum Gehirn nutzen? Das hängt vom Kulturkreis und von den persönlichen Erfahrungen ab. Wir können Duftstoffe einsetzen, die man in unserer Kultur wahrscheinlich mit positiven Erinnerungen verbindet. Das wären etwa Weihnachtsdüfte wie Zimt. Trotzdem wird es immer Personen geben, die negative Erinnerungen daran haben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass bei der Aromatherapie Patient und Experte vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Was kann Aromatherapie derzeit nicht leisten? Patienten sollten vorsichtig sein, wenn man ihnen empfiehlt, auf klassische Pharmaka zu verzichten und ausschließlich auf Aromatherapie als Behandlungsmethode zu setzen. Außerdem sind hochwertige Duftaromen aufwendig zu isolieren. Duftöle, die es in großen Mengen beim Discounter gibt, werden kaum hochwertige Duftstoffe enthalten, die die Riechzellen effektiv stimulieren können.
Wird die Aromatherapie künftig mehr Gewicht bei der Behandlung von Patienten erhalten?
Wenn wir mehr Rezeptoren entschlüsselt haben und wissen, auf welche Düfte sie reagieren, kann das zum Beispiel die Diagnostik grundlegend verändern. Ein Tumor hat etwa andere Duftrezeptoren als gesunde Zellen. Wir können also anhand der Rezeptoren feststellen, wo sich ein Tumor und Metastasen im Körper befinden. Vielleicht werden wir irgendwann Duftmoleküle wie klassische Pharmaka verwenden. Allerdings steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Von rund 350 verschiedenen Duftrezeptoren konnte bisher erst bei etwa 70 festgestellt werden, welches Duftmolekül sie stimuliert. Das Potenzial ist also längst nicht ausgeschöpft