Wege aus der Einsamkeit
Gemeinsam stark
Einsamkeit ist keine Krankheit, ein funktionierendes soziales Netzwerk aber auf jeden Fall gut für die Gesundheit. Neben Familien und Freunden sind auch professionelle Hilfsangebote wichtig – gerade für Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Seit über einem Jahr gibt es in Großbritannien offiziell eine Ministerin für Einsamkeit. Die Regierung wollte mit dieser Personalie nach eigener Aussage "der traurigen Realität des modernen Lebens" Rechnung tragen. Realität sei es, dass immer mehr Menschen vereinsamen, weil ihnen Freunde und familiärer Rückhalt fehlen. Der Grund, warum das Thema Einsamkeit neuerdings so wichtig scheint, ist nicht allein dem Mitgefühl geschuldet.
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Einsamkeit als Gesundheitsrisiko
Einsamkeit gilt in Kreisen der Wissenschaft und der Politik zunehmend als Gesundheitsrisiko: So schlimm wie Kettenrauchen oder Fettleibigkeit sei die Einsamkeit, Gift für das Herz-Kreislauf-System oder sogar tödlich, wie der umstrittene Bestseller-Psychiater Manfred Spitzer in seinem Buch "Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit" schreibt. Doch Einsamkeit ist für sich genommen keine Krankheit. Im international gültigen System ICD-10, in dem alle Krankheiten klassifiziert sind, wird "alleinlebenden Personen" zwar ein potenziell höheres Gesundheitsrisiko zugeschrieben, aber nur im Zusammenhang mit belastenden sozialen Umständen.
Das heißt: Gesundheitsgefährdend wird Einsamkeit erst dann, wenn ihre Ursachen zum Beispiel in Armut, Arbeitslosigkeit oder einer psychischen Krankheit zu finden sind. Deshalb ist es auch umstritten, dass ein Gefühl plötzlich zum Gesundheitsrisiko wird. Was, wenn jemand einfach nur keine Familie und nicht viele Freunde hat? Was, wenn er die Einsamkeit sogar sucht und sich ganz bewusst zurückzieht? Oder zwar ganz viele Freunde auf Facebook hat, aber kaum mehr aus dem Haus kommt? Werden solche Menschen deshalb gleich krank? Sicher nicht.
Um die Einsamkeit ist’s eine schöne Sache, wenn man mit sich selbst in Frieden lebt und was Bestimmtes zu tun hat.
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Ein gutes soziales Netzwerk fördert unsere Widerstandskraft
Einsamkeit mit Krankheit gleichzusetzen ist falsch. Richtig ist hingegen, dass menschliches Miteinander positiven Einfluss auf die Gesundheit hat: Schon in den 70er-Jahren hatte der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky das Modell der Salutogenese entwickelt. Darin geht es nicht um die Entstehung von Krankheiten, sondern von Gesundheit. Laut Antonovsky fördert ein gutes soziales Netzwerk unsere Widerstandskraft. Eigentlich einleuchtend, dass soziale Kontakte – also Freunde, Familie, Nachbarn, aber auch Beratungsstellen und andere professionelle Hilfsangebote – gut für die Gesundheit sind. Auf der emotionalen wie auch auf der praktischen Ebene. Die Fachwelt spricht dabei von sozialen Ressourcen. Emotional hilft es uns zu wissen, dass wir andere Menschen an unserer Seite haben. Praktisch ist gerade auch in Krisensituationen Hilfe im Haushalt, beim Einkauf oder ein offenes Ohr viel wert.
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Verlorene Freude
Doch es gibt auch viele Menschen, die sich nicht ausreichend unterstützt fühlen und unter diesem Mangel leiden. Oft betroffen sind arme oder chronisch kranke Menschen, Menschen mit geringer Bildung oder alleinerziehende Mütter. Sie alle geraten aufgrund ihrer Lebenssituation schneller ins soziale Abseits. Gerade dann wäre soziale Unterstützung wichtig, denn sie verbessert das psychische Wohlbefinden, reduziert Stress und kann die Auswirkungen einer schwierigen Lebenssituation mindern. Diese sind nicht nur belastend, sondern nagen auch am Selbstbewusstsein und dem Gefühl, selbst etwas ändern zu können. Auch deshalb ziehen sich Menschen in schwierigen Lebensumständen häufig zurück.
Psychisch kranke Menschen verlieren ihre Freunde, meist gibt es Stress in der Familie. Alleinerziehende Mütter haben aufgrund ihrer hohen Belastung oft weder Zeit noch Geld, um einfach mal mit Freunden essen zu gehen oder gemeinsam Sport zu treiben. In all diesen Fällen kann Mangel an sozialer Unterstützung die Anfälligkeit für Krankheiten vergrößern und die Lebenserwartung verringern. Die Ursache dafür liegt aber in der sozialen Isolation und nicht in dem Gefühl der Einsamkeit.
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Soziale Isolation
Der Einzelne kann gegen diese soziale Isolation und dem Gefühl der Einsamkeit, das daraus entstehen kann, wenig ausrichten. Schließlich lassen sich soziale Unterstützung, Familie und Freunde nicht nach Wunsch und Belieben herbeizaubern. Deshalb ist es auch eine Aufgabe von Politik und Gesellschaft, soziale Isolation zu verhindern. Ein Schritt in die richtige Richtung ist zum Beispiel das Präventionsgesetz. Dieses Gesetz will vermehrt die persönlichen Umstände berücksichtigen, Menschen in der Arbeit, der Kita oder dem Pflegeheim erreichen und ihnen dort soziale Unterstützung zuteilwerden lassen. Ein wichtiger Schritt, für den die Politik ihrerseits Ressourcen in Form von gut ausgebildetem Personal und Geld benötigt. Aber Vorsorge ist besser als Nachsorge – insbesondere wenn es um die Gesundheit unserer Gesellschaft geht.
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